17. Juli 2022 - 3 Kommentare

Schrei mi net an

Schrei mi net an
von Rainer Juriatti

Okay, es ist nicht fein, das Arschloch der Nation zu sein. Das nämlich bin ich jetzt gleich. Wenigstens aber reimt sich mein erster Satz. Könnte sogar eine Songline sein. Eine von Wanda vielleicht. Ich war gestern auf einem Konzert von denen. Bin früher gegangen. Für’n Arsch.

Angefangen hat das Dilemma ja schon 2019. Da habe ich meiner Frau und mir ein Ticket gekauft, so aus einer Laune heraus: Ach, schau mal, die sind in unserer Stadt, da gehen wir hin. Ein Hotdog, eine Cola, ein bisschen „Altpunk gepaart mit Ö3-Tauglichkeit“. Das schauen wir uns an, why not.

Für’n Arsch Vorspiel: Dann kam Corona und sie haben uns alle eingesperrt. Drei Jahre später erst sind wir gestern durch den lauen Sommerabend geradelt und haben uns wie zwei exotische Leguane mit Mund-Nase-Maske unter die tausenden stoffbefreiten Gesichter in die Eingangsschlange eingereiht.

Für’n Arsch Intro: Wie meinte ich 2019? Das schauen wir uns an? Da gibt’s nichts zu schauen! – Außer vielleicht die wirklich sehr sympathisch wirkende Merchandisingverkäuferin, die mit ihrem unbeugsamen Lächeln 30-Euro-T-Shirts an alternde Dickbäuche verscherbelt und jedem dabei das Gefühl gibt, die postpubertär angesprayten Wanda-Klamotten stünden wie angegossen, spannten keinesfalls über der Corona-Wampe und machten aus Mittvierzigern endgültig wieder freie, unabhängige und progressive Twen-Punks.

Für’n-Arsch-Zwischenspiel: Und dann stehen da tatsächlich junge Leute auf der Bühne. Sie nennen sich „Das Moped“. Vier Jungs, zwei Sänger. Singt der zweite, klingt’s auch ein bisschen wie ein Moped, aber auf die richtig sympathische Art. Gestunken allerdings hat mir, dass die Tonleute immer noch das Klischee leben, die Vorgruppe „runterzumischen“. Sollen ja nicht besser sein, als der Hauptact. Sind sie aber, kilometerweit besser sogar.

Für’n Arsch Hauptact: Dann nämlich tritt Herr Fitzthum auf die Bühne und schreit uns sofort an, ob wir wohl da seien, in „scheiß Graz“. Okay, sei ihm verziehen, die kreischende Kasperlfrage. Dann schreit er seinen ersten Song ins Mikro, dreht sich dabei labbrig im Kreis und zelebriert seine maximalbeschränkte Tanz-Spastik durch Taktschlag mit ausgestrecktem Arm. Halt so irgendwie "Wiener Gemeindebau Grunge" oder so – hab ich mir von einem Experten sagen lassen, dass das sowas sei (ich kenn ja nur Punk, siehe Einleitung) ... jedenfalls, dann schreit er ins Mikro, wie geil „das von hier oben“ ausschaue. Uns zeigt man das allerdings nicht. Es gibt nämlich nix zu zeigen ohne Vidi-Wall, ein paar Lampen aus den 80er-Jahren müssen reichen für uns Dummbatze, bestenfalls bessere Bierbecherhalter eben.

Herr Fitzthum dreht und dreht sich (um sein unbegründet riesiges Entertainer-Ego), während er mit ausgestrecktem Arm den Takt schlägt. So geht es dahin. Zehn Minuten. Zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig Minuten. Mit dem Publikum kommuniziert er, indem er immer wieder „scheiß Graz“ oder „fucking Scheiß“ kreischt. Natürlich toben alle, tragen sie ja schließlich inzwischen seine T-Shirts und „jetzt ist scheiß fucking Party“. Soll so sein, ich gehe heim.

Ich weiß, es ist nicht fein, das Arschloch der Nation zu sein, aber mit einem (aus)lachenden Satz schmetterte ich Fitzthum-mäßig in die Welt: "Fucking scheiße", das war Wanda gestern Abend. Ein paar gähnend öd angesteuerte Lampen und ein bisschen so tun, als sei man Grunge-oder-what-ever, der sich nur zufällig auf Ö3 verirrt hat, das reicht heute vielleicht nicht mehr so ganz.

Wer mehr über "Das Moped" wissen möchte, bitteschön. Einen Wanda-Link vermeide ich, die Band ist nämlich bitte tatsächlich und für alle Zeiten bestmöglich zu meiden.

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text

Kommentare

Rainer Juriatti
18. Juli 2022 um 07:10

Heute Früh wollte eine Theatermacherin, Dramaturgin, Kulturwissenschaftlerin, Professorin und weiß der Teufel was noch alles, hier einen Kommentar veröffentlichen. Ich habe diesen nicht freigegeben und dies der Schreiberin gegenüber wie folgt vertreten: Guten Morgen! – Ich habe soeben Ihren Kommentar, den Sie auf meiner Blogseite dem Beitrag „Schrei mi net an“ zugefügt haben, zur Freigabe erhalten. – Der unsachgemäße und nichts zum Inhalt des Blogbeitrages konstruktiv beitragende Kommentar, der allein darauf abzielt, den Leser*innen mitzuteilen, mein Blogbeitrag sei schlecht geschrieben, wird natürlich nicht freigegeben, da jeglicher Mehrwert zum Gesagten fehlt. – Ich breche ja auch nicht in Ihr Haus ein, um den Menschen dann zu erzählen, Ihre Möbel seien Scheiße. – Also: machen Sie’s gut, geschätzte Kunstkollegin, Rainer Juriatti

Bernadette
11. Januar 2024 um 03:37

Hallo, ich finde den Text gut, er hat mich nicht wenig amüsiert. Man muss immer noch sagen dürfen, wenn man was scheiß fucking kacke findet, auch wenn sich’s um ein Ding handelt, das gerade zufällig trendet. Oder eh nicht mehr so richtig, aber halt noch irgendwie als Orientierungshilfe für ganz Planlose dient.
Lassen wir uns bei aller Berechtigung des Gesagten aber auch nicht vergessen, dass Geschmäcker eben verschieden sind. Manche sind nämlich feiner als andere.

Rainer Juriatti
11. Januar 2024 um 20:49

Danke für den wunderbaren Kommentar.

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