Ab sofort keine Bücher mehr!
von Rainer Juriatti
Unser Verlag zieht sich ab sofort aus dem Buchgeschäft zurück: Ja, ich bin ein Witzbold, den niemand witzig findet. Ich finde Vieles auch nicht witzig. Zum Beispiel die absurdistanische Nationalbibliothek in Wien und auch die Steiermärkische Landesbibliothek. Beide nämlich zwingen mich dazu, mich aus Gründen der Ungleichbehandlung aus dem Buchgeschäft zurückzuziehen.
Besagte Bibliotheken bestrafen mich per Gesetz/per se dafür, dass ich Autorinnen und Autoren die Möglichkeit zur Publikation biete. Die Verstaubten dort zwingen nämlich jeden Verlag, Ihnen ein oder zwei (!) Bücher zu schenken, sobald ein neuer Titel publiziert wird. Auch die Portokosten gehen natürlich zu meinen Lasten. Für die großen Verlage und/oder für all jene, die Verlagsförderung kassieren, mag das machbar sein, für einen unabhängigen, kleinen, ungeförderten Verlag eher nicht. Da zählt die Centzählerei bei jedem einzelnen Buch.
Also treffe ich heute die einzig vernünftige Entscheidung: Ab sofort publizieren wir keine Bücher mehr.
Zur Kette der Entscheidungsfindung: Vor einigen Tagen sandte ich den Bibliotheken die von Ihnen geforderten Bücher, also Zwangsexemplare von „Mein Jahr im Wald“ (für das ich nirgendwo Förderungen erhalten habe!) zu. Ich legte jeweils eine Rechnung bei, in der ich den üblichen Rabatt für Bibliotheken abzog und somit rund 10 Euro für ein Taschenbuch verlangte.
Prompt erhielt ich folgende Briefe:
„Sehr geehrter Herr Juriatti, vielen Dank für die Übersendung der beiden Pflichtexemplare von „Mein Jahr im Wald“. Allerdings muss ich Ihnen mitteilen, dass die Österreichische Nationalbibliothek für Pflichtexemplare, deren Ladenverkaufspreis weniger als 145 € beträgt, leider keine Vergütung leisten kann. Ich ersuche Sie daher, die Rechnung Nr. 143/2021 zu stornieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen, NAME.“
„Sehr geehrter Herr Juriatti! Die Steiermärkische Landesbibliothek bedankt sich für die Pflichtablieferung des Werkes „Mein Jahr im Wald“. Die Steiermärkische Landesbibliothek vergütet keine Pflichtexemplare unter 145 €, weshalb ersucht wird, dass Sie Ihre Rechnung 142/2021 stornieren. Die Pflichtablieferung ist gesetzlich verankert. Sie finden die gesetzlichen Bestimmungen im Anhang zu Ihrer Information. Mit freundlichen Grüßen, NAME“
Natürlich wusste ich mir zu helfen und publizierte an entsprechender Stelle in unserem Shop, dass die Bücher für die Bibliotheken künftig 149,00 Euro kosten, schrieb eine neue Rechnung und sandte diese per E-Mail zu. Mal schauen, ob die Verstaubten wissen, was Anstand ist und mir meine Kosten ersetzen. Die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig, die weiß, was es heißt, „Kleinverleger“ zu sein – und zahlt mir unsere Bücher immer prompt, sogar inklusive Versand.
Jedenfalls möchte ich mich nicht dafür bestrafen lassen, dass ich Autorinnen und Autoren auch im Jahr 2022 (geplant sind fünf Publikationen) die Chance auf Veröffentlichung gebe und werde „Bücher“ nicht mehr „Bücher“ nennen, sondern ab sofort „Brainbefruchter auf Papier“. Ein Produkt, für das es keine Zwangsabgabestelle gibt. Zumindest kenne ich keine. Genausowenig, wie ich keine Abgabestelle kenne, die Staubsaugerhersteller zwingt, von jedem neuen Gerät zwei Stück abzuliefern (der Versuch, unter Staubsaugerzwangsabgabe bei Google einen Eintrag zu finden, führte jedenfalls ins Nichts.)
Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in Text
Monika Karner
9. November 2021 um 03:01
Hallo Rainer,
da hat wieder einmal der Amtsschimmel kräftig gewiehert. Tut mir leid für Dich und Deine Verlags-Pläne.
Mein Manuskript wäre mir ohnedies nicht gut genug gewesen. Unlängst habe ich reingelesen und gedacht: “So nicht.” Falls überhaupt etwas daraus werden sollte, müsste ich Einiges verbessern, und derzeit wachsen mir Haus- und Gartenarbeit, zu viele Arztbesuche und der ewige “Papierkrieg” für meinen autistischen Sohn über den Kopf.
Ich wünsche Euch alles Gute.
Herzliche Grüße
Monika
Rainer Juriatti
15. Oktober 2022 um 08:41
Herbst 2022. Inzwischen habe ich einige weitere Bücher herausgebracht. Bislang habe ich keinen Brief erhalten. Ich denke aber, mit diesen Zeilen hier verhält es sich wie mit der Zigarette, die du dir in einem Restaurant – vor der Tür draußen natürlich – anzündest: Sobald sie glimmt, kommt der nächste Gang. So wird es sicherlich auch hier sein: Ich warte eigentlich jeden Tag auf die Aufforderung, umgehend ein Buch zuzustellen, ansonsten werde die Staatspolizei an meine Tür klopfen.