Besuch im stillen Haus
von Rainer Juriatti
Unlängst waren wir zu Besuch bei unseren Freunden, die sich ein „stilles Haus“ inmitten eines Niemandslandes gekauft haben. Still ist es dort, ja. Kein W-Lan, kein Telefonempfang. Kein elektrischer Herd, gekocht wird auf Feuer. Das Wasser für die Frühstückseier bereiten wir uns rasch auf einem Campingkocher zu. Und dort, in dieser Stille, bei diesen lieben Menschen, da fiel es mir wieder auf.
Wir leben nicht, wie der Philosoph Leibnitz es vor 300 Jahren gutgläubig und gottesfürchtig behauptete, in der schöpfungsgewollt „bestmöglichen Welt“, nein, wir leben eher gemäß den rund 100 Jahre später geäußerten Befürchtungen Schopenhauers und inzwischen bewiesenen „schlechtesten aller nur denkbaren Welten“. Er meinte sinngemäß: Wäre die Welt nur ein Quäntchen schlechter, sie wäre nicht mehr lebenswert. Wäre sie nur ein bisschen kälter oder wärmer, sie wäre schlagartig nicht mehr lebenswert.
Auf dem Weg in die Stille des Hauses, während der Anfahrt, berichteten Experten im Radio, die Welt steuere auf eine Dreigraderwärmung zu. Ich hatte sofort die Aussage unseres Bundeskanzlers im Sommergespräch in den Ohren, in dem er selbstbewusst sagte, er glaube den Experten nicht. So funktioniert Politik. Und so also leben wir in der denkbar schlechtesten Welt. „Die Absurdität ist schreiend“, hatte Schopenhauer gemeint. Der Mensch rede sich die Welt schön, während er Schmerzen ertrage und das beste für sich selbst herausholen wolle. Womit wir wieder beim Kanzler wären.
Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in Text