Der Marketingmohr
von Rainer Juriatti
Ist es ein Schattenbildchen des Firmengründers? Oder ist es doch ein Mohr? Ist es Männlein? Oder ist es gar ein dem Männlein nun nachgestelltes Weiblein? Für mich ist es eher Letztes. Ich meine das Allerletzte. Oder wie auch immer.
Wieder einmal muss ich es zugeben: Ich wollte witzig sein und habe eine schlechte Fotomontage aus den komischen Gestalten der kranken Werbeabteilung der Mohrenbrauerei in Dornbirn gemacht. Ich wollte schreiben, dass die Rassismusdebatte über ihr geschmackloses „Neger-Revival“ keine Rassismusdebatte sei, sondern vielmehr eine Geschlechtsdebatte, da dem Sklaven, der sämtliche mit durst- sowie hirnzellenlöschender Flüssigkeit gefüllten Flaschen ziert, nun ein Weiblein zur Seite – oder besser – hintennach gestellt worden sei. Doch nochmals zugegeben: Ich kann nicht witzig sein. Jeder Witz wäre ein rassistisch-sexistischer. Und solche Witze mag ich eigentlich nicht machen, außer, sie betreffen mich selbst.
Die „Erneuerung“ des „schwarzen Sklaven“ ist den verantwortlichen Chefs und ihren wirklich gänzlich kreativbefreiten, weil dummen (!) Werbeleuten nicht nur misslungen, sondern füttert den Nährboden der Entrüstung jedes vernunftbegabten Menschen des 21. Jahrhunderts.
Nicht allzu lange ist es her, als ich mich weit aus dem Fenster lehnte, da ich behauptete, weiße Autor*innen seien durchaus in der Lage, Texte von Menschen anderer Hautfarbe literarisch originär zu übersetzen. Sie erinnern sich vielleicht an die Debatte, als eine junge Frau ein Gedicht zur Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten verfasste, das um die Welt ging und somit auch übersetzt werden musste. Wir Autor*innen – so meine Argumentation – seien fähig, uns in jeden Menschen hineinzudenken. Es wurde mir und tausenden anderen Autor*innen vehement in Abrede gestellt, dass „rassenübergreifendes“ Übersetzen möglich sei.
Und nun legen zwei weißhäutige Bierkonzern-Chefs nach einem ererbten „Nigger-Logo“ eine überarbeitete Fassung vor. Dramatisch bierlaunig, diese Entscheidung. Zum einen nämlich geht der Name ihrer selbstüberschätzten Gesöfffabrik auf keinen Südstaatensklaven zurück, der sich sein Hirn wegtschechern wollte (wenn schon Klischee, dann schon Klischee), sondern auf einen Mann im 18. Jahrhundert, der zufällig „Mohr“ hieß. Zum anderen handelte es sich beim bisherigen Logo um ein „Erbe“. Das neue Logo allerdings ist eine bewusste Entscheidung: Die beiden Konzernchefs bekennen sich somit selbstbewusst zu diesem Erbe. Und zum Dritten finde ich es dramatisch, da ein anderer Konzern vorlebt, wie es auch geht:
Als die Kaffeefirma Meinl ihr Logo überarbeitete, respektive ändern wollte, verschwand der „Meinl-Mohr“, übrig blieb allein seine Kopfbedeckung, der Fez. Die Geschäftsführung begründete das neue Logo damit, dass das alte nicht mehr zeitgemäß gewesen sei. – Was sagt uns das? Genau: Kaffeetrinker sind smart, weitblickend, selbstreflektiert; Biersäufer hingegen stupid (Antonym zu smart), weitblickdicht, unreflektiert.
Es mag vielleicht allerdings sein, dass der neue Mohr auf dem urinfarbenen, schäumenden Saft ein wohldurchdachter Marketing-Gag ist, der es schafft, tausende Gratis-Internetseiten (wie auch diese hier) zu „generieren“, um die rassentreue Flüssignahrung aus dem Ländle in aller Munde zu halten und auch in selbige zu gießen, allerdings bleibt in jedem Fall ein schaler Geschmack zurück, denn solange weiße Männer Sklavenbildchen in ihrem Corporate Design führen, so lange wird uns niemand glauben, dass wir weiße Autor*innen jeden Text jedes Menschen auf dieser Welt literarisch korrekt übersetzen können.
So kann es auch gehen: Das neue Meinl-Logodesign.
Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text