Die Geschichte hinter dem Sternenkind. Beitrag im Sonntagsblatt.
Rainer Juriatti
Auf Einladung der Redaktion des steirischen "Sonntagsblatts" habe ich mich an einem Text zur Lesung und zum Buch versucht:
Man fragt mich, ob ich einen Artikel schreiben könne. Aus Anlass einer Veranstaltungen in einer Grazer Kirche. So wird zum Thema, worüber ich einen Artikel verfassen soll. Ich kann es nicht. Ich kann keinen Artikel schreiben. Ich bin kein Fachmann. Ich kenne weder Statistiken noch habe ich sachliche Antworten anzubieten. Da wäre in geeigneter Weise eine Krankenhausseelsorgerin gefordert oder vielleicht eine Krankenschwester. So jemand wie meine Frau. Die aber schreibt nicht. Fachkräfte jedoch brächten Befindlichkeiten auf den lesertauglichen Punkt. In Summe sozusagen brächten sie den Gesamtdurchschnitt an Befindlichkeiten von Frauen, die ein Kinder verloren haben, ihrer Leserschaft näher.
Ich selbst, ich bin ja schon mal keine Frau. Nur Vater bin ich von zwei erwachsenen und fünf zu früh verstorbenen Kindern. Ich weiß, wie ich mich gefühlt habe, als meine von mir mitverursachten Vorfreuden starben. Oder sagt man „abstarben“? Nicht einmal das weiß ich. Deshalb habe ich auch nichts anzubieten. Außer vielleicht den nicht neuen Satz, dass es weh tut. Unbeschreiblich. Da entgleitet sogar einem Vielschreiber wie mir jede adäquate Form der Sprache. Deshalb auch hat es 20 Jahre gedauert, um das Buch zu schreiben. Weil es nicht „betroffenheitslyrisch“ werden sollte. Und kein Sachbuch. Ich hab’s nicht so mit Sachbüchern.
Ich weiß nur, dass es mich erschreckt, dieses viele Sterben. Wenn ich lese, dass jede zweite Frau einmal im Leben davon betroffen ist. Und jede dritte, wenn es mehrmals geschieht. Aber gesichert sind diese Daten nicht. Weil ich ja kein Fachmann bin. Statistiken verstärken meinen Schmerz, einem jener Väter, die zuschauen müssen. Einem jener, die „stark sein sollen“, wie man ihnen sagt, stark sein für die betroffene Mutter, stark sein in einer Zeit, in der sie weder eine Antwort haben noch die Kraft aufbringen, um ihrer Partnerin tatsächlich hilfreich zu sein. Statistiken helfen uns nicht, und zugleich berühren sie andere wenig. Wie auch? Sie bezeugen in Zahlen, was man nie gesehen hat: Sternenkinder bleiben unentdeckt, da sie nie unter uns waren. Sternenkinder haben keine Stimme. Sie bleiben eine Idee – für die Außenwelt. Für die Trägerinnen allerdings sind sie alles. Meine ich.
Buch und Lesung
Eltern, deren Kinder während der Schwangerschaft versterben, bleiben einsam: Niemand kannte ihr Kind, es gibt keine Erinnerungen, die geteilt werden können. Am 2. Mai liest Rainer Juriatti gemeinsam mit Arnold Meusburger (Orgel) und Philipp Lingg (Akkordeon) in Wortwelten der Sprachlosigkeit. Im Angesicht einer Katastrophe, die sich vielen Elternpaaren mindestens einmal im Leben zeigt, in Momenten, in denen der Mensch anstelle des Todes auf das werdende Leben eingestellt ist.
2. Mai, 1930 Uhr
Pfarrkirche St. Andrä
Eintritt 9 Euro, erm. 7 Euro
Eine Veranstaltung des Familienreferats
(coming soon: Erscheinungstag 26. April 2018)
Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text