6. März 2022 - Keine Kommentare!

Warum die Leut’ Idioten sind

Warum die Leut' Idioten sind
von Rainer Juriatti

Gegen eines wollte ich mich stets verwehren: Unabhängig aller Nachrichten aus den uns beliefernden Kanälen, unabhängig zunehmender, bitterer Lebenserfahrungen, auch unabhängig aller persönlicher Rückschläge, unabhängig der vielen Niederlagen meines Lebens wollte ich niemals, wollte ich in meiner Alterskurve keinesfalls eines werden: verbittert & einsam. Es ist mir nicht gelungen.

Ich halte es inzwischen ganz mit Patricia Highsmith, der weltbekannten amerikanischen Kriminautorin, von der gesagt wird, sie sei rassistisch gewesen und im Alter habe sie sich aus Verbitterung der Menschheit gegenüber weitreichend zurückgezogen. Ich teile ihr Urteil: Die allermeisten Leute sind unfassbare Idioten. Ich spüre diese grundlegende Abscheu zunehmend in mir hochkommen. Ich mag „die Leute“ – ganz allgemein – schon lange nicht mehr und gestehe mir dies jüngst endlich ein. Irgendwie erleichtert es mich. Ich beobachte auch seit vielen Monaten, wie ich mich mehr und mehr zurückziehe, das Haus nur noch für das Notwendigste verlasse und möglichst keine Termine wahrnehme. Auch das erleichtert mich ungemein und schmerzt zugleich. Wie meinte doch Marie Ebner-Eschenbach, ebenso weltbekannte Autorin: Menschenverachtung, das ist ein Panzer, der mit Stacheln gefüttert ist.

Einige Fakten allerdings sind traurige Gewissheit, belegt in meinem bald sechzigjährigen Dasein: Es schafften nicht einmal manche enge Verwandte, mich nicht grundlegend zu enttäuschen, schon gar nicht schafften das sogenannte „gute Bekannte“ oder „enge Freunde“ (Enge Freundschaft verstehe ich inzwischen nur noch im Sinne einer körperlichen Aktion): Sobald du für andere nicht mehr nützlich bist (hier: tatsächlich im engsten Sinne des Wortes), bespucken sie die geknüpfte oder geerbte Beziehung. Und in der Arbeitswelt – es ist traurige Gewissheit – hatte ich bislang nur mit Hyänen zu tun. Gut, ich hätte vielleicht nicht 20 Jahre pädophilen Pfaffen dienen sollen, um deren Pressearbeit und Werbung zu machen, jedoch traf ich auch im Design für große Firmen im Grunde nur auf eitle Idioten, die in ihren „Ämtern“ sitzen und von oben herab regieren. Nicht umsonst hört man in der Design- und Werbewelt sehr oft: „Take the money and run.“

Jüngst allerdings – und dies ist mir zugegeben nun zu viel –, da lese ich von „wiederaufgenommenen Parties“, die scheinbar derart wichtig zu sein scheinen, dass die Zeitungen voll davon sind – während in der Ukraine jeden Tag unschuldig betroffene Kinder, Frauen, Alte und gezwungenermaßen Männer als Freiheitsverteidiger sterben. Im Fernsehen sehe ich Warteschlangen der Flüchtenden an ukrainischen Grenzen, zugleich betrunken stammelnde junge Menschen, die in unseren Großstädten vor Clubs und Tanzpalästen in Warteschlange stehen, um endlich wieder (Zitat, gebrüllt) „abzutanzen!“. Tags darauf lese ich in einer Zeitung, dass manche ohnmächtig wurden angesichts des Andrangs vor den Türen der Vergnügungszentren. Ich finde keine Antwort auf die Frage: Was, bitte, gibt es zu „feiern“? Einfacher hingegen zu beantworten ist die Frage, ob es sich bei all diesen Menschen einfach nur um Idioten handelt, denn da genügt ein einfaches Ja. 

Gestern schließlich fuhr ich zu einer Demonstration gegen den Krieg. Haben während der Pandemie noch zehntausende Volltrotteln jeden Tag auf die Straße gefunden, um für ihre fragwürdige Freiheit zu demonstrieren, so fanden sich gestern nur ganz wenige Menschen auf dem Grazer Hauptplatz ein. Demoschilder lagen zuhauf herum, ungenutzt. Spätestens da wurde mir deutlich vor Augen geführt: Die Leut’, das sind alles hoffnungslos Verlorene. Sie haben nichts kapiert, sie alle werden blöd sterben und während sie verrecken, werden sie sich darüber aufregen, dass niemand etwas dagegen getan hat. 

Ich bin sicher, viele unter Ihnen, die schon etwas älter sind, denken ähnlich: „Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, dass er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht“, meinte schon der 1960 verstorbene Schauspieler und Schriftsteller Curt Götz. Und so ziehe ich mich immer mehr zurück in meine Einsamkeit – und glauben Sie mir: Sie ist herrlich wohltuend.

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in Text

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